Am Samstag besuchte ich das Museum in Grand Rapids. Grand Rapids ist die nächste größere Stadt in der Nähe von Holland. Die Fahrt dorthin setzte das Navi mit 40 Minuten an, deswegen wollte ich vorher noch tanken. Tanken funktioniert fast so ähnlich wie in Deutschland, nur dass man seine Kreditkarte an der Zapfsäule durchzieht, tankt, seine Quittung nimmt und weiterfährt. Kein Kontakt mit Menschen notwendig. Mit vollem Tank und frohen Mutes also über mit Schlaglöchern durchsetzte Freeways richtung GR. Wieder einmal war ich ziemlich froh über meinen Jeep, der die Schlaglöcher lässig wegsteckte.
Das Museum ist ein Sammelsurium aus verschiedensten Dingen. Eine riesige Dampfmaschine, ein Planetarium, ein Doppeldeckerflugzeig, das Uhrwerk einer Turmuhr, ausgestopfte heimische Tiere, die Indianer die hier zuvor gelebt haben mit deren Kleidung und Kultgegenständen, die Einwanderer mit deren Kleidung und Kultgegenständen. Ein Raum war so eingerichtet wie das Museum vor 100 Jahren ausgesehen hat: ein Museum im Museum.
Die beiden interessantesten Dinge für mich waren das Skelett eines Finwals, das mächtig in der ersten Halle hängt und dank Treppenhaus von unten und oben bestaunt werden kann. Zweitens, der eigentliche Grund meines Besuchs, die Wanderausstellung “Körperwelten”. Diese Ausstellung lässt keine Frage unbeantwortet. Knallharte Tatsachen. Die ungeschönte Wahrheit. Skelette, Muskeln, Blutgefäße, Nervenbahnen. Magen und Darm inklusive diverser Krebsarten. Lungen: gesunde wie Raucherlungen, Leber mit und ohne Zirrhose. Wo geht das Essen rein, wo kommt es wieder raus? Über den Prozess des Nachwuchs Zeugens weiss ich jetzt auch endlich bescheid. Sehr genau. Wo und wie alles reingeht und wieder rauskommt. Es gibt ganze Organe und zersägte Organe. Ganze Menschen, und in Scheiben gesägte Menschen: einmal längs, einmal quer. Computertomographie ohne Computer. Das ist alles hochinteressant, und natürlich habe ich mir alles ganz genau angesehen. An manchen Stellen musste ich jedoch tief durchatmen und am Ende erstmal 10 Minuten sitzen. Die Babyfüchse und ihre Mutter trugen hinterher sehr zu meiner Beruhigung bei.
Nach dem Museumsbesuch hatte ich großen Hunger, also ließ ich mich zu meinem schon am Tag vorher herausgesuchten Cafe navigieren. Das hatte leider geschlossen, deswegen ging ich in die Pizzabude nebenan. Die hatten dort keine Tische, sondern nur eine Theke zum Bestellen und eine Bank zum Warten. Da ich sowieso in einen der Parks in Grand Rapids gehen wollte kam mir Pizza zum Mitnehmen gerade recht. Ich bestellte meine Pizza und setzte mich auf die Bank, mit einer Wartezeit von 20 Minuten rechnend. Zu meiner großen Überraschung gaben sie mir die Pizza allerdings schon nach etwa drei Minuten. In Frischhaltefolie eingewickelt und roh. Jetzt weiss ich, dass “Take’n’Bake” wörtlich zu nehmen ist, und zwar in der Reihenfolge. Da stand ich nun, hungrig, auf einem Parkplatz mitten in Grand Rapids, mit einer rohen Pizza.
Ein paar hundert Meter weiter gab es das Restaurant “Blue Water Grill”, inklusive Blick auf einen See. Deswegen legte ich meine Pizza ins Auto und ging dort hin. Als ich auf den Eingang zusteuerte, wurde mir die Tür schon von einer jungen Dame aufgehalten, die mich auch, “One person? Yes please.”, zu einem Tisch am Fenster führte. Der Kellner stellte sich bei mir mit Namen vor, er hieße Duncan und würde sich heute um mich kümmern. Die Möbel waren aus dunklem, schwerem Holz und um mich herum saßen Leute in Abendgarderobe. Ein bisschen fehl am Platz kam ich mir schon vor als ich zunächste eine Cola bestellte, aber die anderen Leute tranken auch Cola, so fiel ich damit nicht weiter auf. Das Risotto mit Pilzen war absolut fantastisch, und während ich kauend auf den See blickte überlegte ich angestrengt ob die Küchenzeile in meinem Hotelzimmer wohl über einen Backofen verfügt.
Zurück im Hotel stellte ich fest: natürlich habe ich keinen Backofen, also kam die Pizza erstmal in den Kühlschrank.
Am Sonntag beim Frühstück fragte ich die Köchin, als sie das Buffet nachfüllte, ob es in ihrer Küche wohl einen Backofen gäbe, und erzählte ihr die Geschichte von der rohen Pizza und dass ich mir etwas dumm dabei vorkomme. “Nein, nein das sei überhaupt nicht dumm” sagte sie, das ist ihr auch schon passiert, bei einem Kindergeburtstag. Sie hatte lauter hungrige Kinder daheim und der Pizzadienst brachte 6 ungebackene Pizzen. Voller Verständnis nahm sie sich meiner Pizza an, während ich mein Frühstück einnahm.
Es waren ungewöhnlich viele Leute beim Frühstück und die Mutter einer Familie war in niederländischer Tracht gekleidet, inklusive Holzschuhen. Ich fragte sie, ob denn schon “Tulip Time” sei. Das ist das Volksfest hier in der Stadt, bei dem die Bewohner ihre niederländischen Wurzeln feiern. Es gibt Tänze, und Paraden, und Konzerte, und Handwerskstände und natürlich Tulpen im Überfluss. Das Fest hat schon am Freitag angefangen und dauert die ganze Woche. Wir haben uns ein bisschen unterhalten, ihre Mutter kommt aus Augsburg und ihr Vater war in München stationiert. Sie ist in Seattle geboren und nach Plymouth gezogen, doch wie genau ihre holländischen Wurzeln sind habe ich nicht verstanden. Beim Erwähnen von Seattle hat sich ein Mann vom Nebentisch eingeschaltet, er sei auch aus Seattle. Die Amerikaner reden sehr gerne und sehr viel darüber wo sie herkommen und woher ihre Mütter kommen und woher ihre Großväter väterlicherseits.
Auf jeden Fall hat sie mir empfohlen auf jeden Fall heute in die Stadt zu gehen und mir alles anzuschauen. Da das Wetter sehr gut ist werde ich diesen Vorschlag umsetzten. Hoffentlich bekomme ich irgendwo einen Parkplatz.
So viel von mir erstmal, bis demnächst.